Der Weg zu Heldenausstatter

Wem das zu wenig ist, darf gerne weiter nach unten Scrollen. Da gibt es mehr Hintergründe und Geschichten, die hierhin geführt haben. 💚

2003: Ausbildung zum Fahrzeuginnenausstatter (Sattler)

2007: Tätig in der Entwicklung / Prototypenbau in der   Fahrzeugindustrie im Oberklassesegment. 

2014: Start meines Nebengewerbes "TS Lederatelier"

2018: Entdecken der Lederbearbeitung "Punzieren"

Alles auf einen Blick:

2020: Entstehung "Heldenausstatter" auf Twitch

2024: Selbstständigkeit mit "Heldenausstatter"

2003: Ausbildung Fahrzeuginnenausstatter

Der Fahrzeuginnenausstatter (kurz FIA) gehört zu der Berufsgruppe der Sattler und hat dabei eine spezielle Fokussierung auf die Bedürfnisse der Fahrzeugindustrie: Von der Motorradsitzbank bishin zur kompletten Interieurausstattung eines PKW / LKW ist hier alles dabei.

Dank der Tatsache, dass ich bei einem der renommiertesten Zulieferer im Luxussegment lernen durfte, kam ich so schnell mit Leder in Kontakt und bekam eine breite Palette an Projekten. Eben das, was grad so für einen Azubi zu machen war. Rückblickend war es bereits schon damals so, dass ich ein Freund von abwechslungsreichen Arbeiten und Unikaten war.

2007: Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der kompletten Industrie war es erstmals so, dass viele Jahresverträge nicht verlängert wurden und ich gehörte auch dazu. Jetzt hatte ich das Problem, einen sehr exklusiven Beruf gelernt zu haben, den es nicht an jeder Ecke gab. Die nächsten Zulieferer waren oft Stunden entfernt, oder gleich im Ausland. Aber genau zu diesem Zeitpunkt hatte sich eine Firma in der Nähe dazu entschlossen, in das Segment der Interieur-Entwicklung zu gehen und brauchte Fachkräfte. Das war ich. Die Firma bestand damit aus zwei Zweigen: Zweig A: Qualitätskontrolle - 120 Mitarbeiter - Zweig B Fahrzeugentwicklung - 1 Mitarbeiter. Und für die ersten 6 Monate blieb das auch so und ich habe gemeinsam mit der Geschäftsleitung einen neuen Bereich aufgebaut, der Jahre später um die 20 Mitarbeiter hatte und finanziell ertragreicher war, wie Zweig A.

2012: Gesundheit

Die Jahre vergingen und es war so, wie es eben in der Arbeit so war. Mal gab es gute Zeiten, mal weniger gut und ab und an wusste man nicht, wem man zuerst den Kopf abreißen sollte. Man hatte viele wichtige Projekte, wichtige Dienstreisen, wichtige Besprechungen und so weiter und so fort. Viele Überstunden. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht auch genossen habe, an solchen elitären Projekten gearbeitet zu haben. Werkfremde Mitarbeiter national und international anzulernen, Prozesse zu optimieren und irgendwo "da oben" mitzureden hatte schon seinen Reiz.

Und so habe ich auch manche Fehlentscheidungen getroffen, was meine Prioritäten angeht. Das lag nicht zuletzt auch daran, dass ich den Betrieb zum Teil als meine Firma sah. Immerhin hatte ich sie ja auch mit aufgebaut. Also hat man privates auch mal nach hinten geschoben, wie z.B. einen Arzttermin, weil man eine komische Beule am Körper hatte. "Wenn das Projekt abgeschlossen ist..." war die Divise! Und so vergingen die Monate, bis man sich selbst die Zeit gegeben hat.

Der Hausarzt war sich unsicher und überwies mich zum Facharzt. Da macht man sich schon einmal die ersten Gedanken. Wenn der Facharzt einen dann untersucht und das Wort "Tumor" fällt, ist es eine ganz andere Sache. "Wir senden eine Probe ins Labor, um zu sehen, ob er gut- oder bösartig ist. Rufen Sie in einer Woche an, dann sollten wir die Ergebnisse haben."

Ja... ich möchte jetzt keinen Spannungsbogen aufbauen, der Tumor war gutartig. Das wusste ich aber damals in dieser Woche nicht und für einen 21-jährigen sind sieben Tage der Ungewissheit eine sehr lange und dramatische Zeit. Besonders nachdem es bereits bösartige Tumore in der Familie gab. Als ich an diesem Tag vom Facharzt nachhause kam, habe ich nicht über die Arbeit nachgedacht, sondern über mich. Abgesehen von meiner Arbeit hatte ich praktisch nichts vorzuweisen. Wie konnte ich den Arzttermin nur monatelang nach hinten schieben? Wieso war alles andere wichtiger, als meine Gesundheit?! Und da ich damals auch schon einen Funken Intelligenz hatte, hat sich ab diesem Zeitpunkt einiges in meiner Weltanschauung geändert.

2013: Eine andere Richtung

Wer hätte das gedacht? Wenn man nach vielen Jahren vollen Einsatzes "nur" noch normal arbeitet und auch mal "Nein" sagt, wird man auch in seiner "eigenen" Firma schnell zu einer Last. Man wird von anderen Kollegen überholt, die Kinder vom Chef haben plötzlich Führungspositionen und dazu noch die Undankbarkeit der Chefetage. Es ist kein Wunder, dass so etwas nicht lange gut geht. Und irgendwo - trotz der Bitterkeit - war das für mich in Ordnung.

Ich habe für mich beschlossen, dass ein Arbeitsplatz nichts persönliches mehr für mich darstellt. Möchte ich meine Arbeit gut machen? Ja und ob! Ich möchte mir meinen Lohn ja auch verdienen. Den Anspruch habe ich immer an mich gestellt. Aber alles andere für mein Leben möchte ich außerhalb davon kreiren. Ich brauchte etwas Eigenes.

2014: TS Lederatelier

Es fühlt sich schon fast falsch an, die Gründung meines Kleingewerbes hier aufzuführen, denn um ehrlich zu sein, habe ich in den Jahren 2014 - 2018 kaum etwas unternommen, um aktiv Aufträge für mein Gewerbe zu bekommen. Der Aufbau war ambitioniert, alles weitere eher so semi. Dies soll nicht bedeuten, dass gar nichts passiert ist, aber doch wenig. Das lässt sich vielleicht noch leichter damit entschuldigen, weil das Leben eben interessanter wurde. Die zukünftige Frau kennen gelernt, neue Arbeit aufgenommen, Hausbau, etc. Da waren verrostete Sitzbänke auch einfach zu vernachlässigen.

Dennoch war der Entschluss, ein eigenes Gewerbe anzumelden, richtig und wichtig! Ich bin jemand, der gerne ein Projekt am Laufen hat. Und mit der ersten richtigen Werkstatt im eigenen Haus (und nicht im kalten Keller im Elternhaus) kam auch etwas mehr Bewegung in die Sache.

2018: Eine neue Art von Lederbearbeitung!

Gut, neu ist es nicht. Pflanzlich gegerbtes Leder gab es schon vor über 100.000 Jahren. Und die ersten kunstvollen Prägungen wurden auch schon vor Jahrtausenden gemacht. Aber für mich - trotz meiner Ausbildung - habe ich das Punzieren von Leder erst so richtig im Spätherbst 2018 entdeckt. Und das ganz zufällig dank des Algorhythmus von YouTube. Vielleicht habe ich einmal etwas gegoogelt oder auf YouTube für meine Werkstatt gesucht, meine Kenntnisse über Handnähte aufgefrischt, oder etwas ähnliches. Ich weiß es wirklich nicht. Jedenfalls wurden mir auf der YouTube Startseite wie immer Videos vorgeschlagen und eines davon hatte sofort meine Aufmerksamkeit erregt: Das Video war ein How-To Video, wie man einen LARP / Cosplay Helm aus Leder macht. Das wollte ich unbedingt sehen und am Ende des Videos auch selbst machen!

Glücklicherweise hatte ich pflanzlich gegerbtes Leder in meinem Lager. Andernfalls hätte ich mir dieses Unterfangen vielleicht noch einmal überlegt, weil wir hier für ein "kurzweiliges Interesse" - wie ich es oft und gerne hatte - doch von einem finanziellen Aufwand sprechen können. Aber ich hatte mir ein oder zwei Jahre zuvor bereits ein solches Leder bestellt, um selbst Gürtel machen zu können. Die wichtigsten Werkzeuge für die grundsätzliche Lederbearbeitung hatte ich natürlich auch schon in meiner Werkstatt und somit brauchte ich lediglich ein kleines Starterset mit Lederhammer, Punziereisen und Swivel-Knife, um damit wirklich starten zu können. Dieses habe ich bei Amazon für 30€ gefunden und war ein paar Tage später bereit.

Der Punkt, der mir an dem YouTube Video, bzw. der Lederpunzierung so besonders gefallen hat, war vermutlich diese unglaubliche Erweiterung der kreativen Möglichkeiten. Die Muster, die Farben und dabei die flexiblen Einsatzmöglichkeiten von Leder. Ich war immer sehr kreativ und habe mich da auf jede nur erdenkliche Art und Weise ausgetobt. Und jetzt konnte ich das plötzlich auch mit Leder machen und damit mein Sortiment für das eigene Gewerbe erweitern. Schlussendlich hat es dann nicht mehr allzu lange gedauert, bis ich das Interesse an einfachen, aber verrosteten Sitzbänken und vergleichbaren Projekten verloren habe und mir mit Lederpunzierungen ein eigenes Standbein aufbauen wollte.

2020: Heldenausstatter

Der Gedanke, selbst zu streamen, entstand nicht durch Leder, aber es war am Ende doch der entscheidende Faktor. Ich habe Twitch schon relativ früh entdeckt und neben Gameplay (Counter-Strike, League of Legends, Osu! und Co.) gab es auch einen Stream, den ich lange verfolgt habe, in dem wundervolle Figuren modelliert wurden. (Selbstredend habe ich das auch mal für 1-2 Jahre selbst gemacht.) Der erste Plan für den eigenen Stream irgendwann um 2014 rum sollte ein Schachstream werden. Für mehr hätte meine damalige Internetleitung auch nicht gereicht. Layout und Streamdesign stand schon, aber ich bin nie für eine Sekunde live gegangen. Abgesehen von dem einen Abend an dem ich für meine zukünftige Frau gestreamt habe, um ihr ein Spiel zu zeigen, von dem ich ihr in unserer Kennenlernphase erzählt habe. Dann erst Mal sechs Jahre Pause von Twitch. 😎

2020 war allgemein ein "interessantes" Jahr. Arbeitsmäßig wieder ein Auf und Ab, weil nicht klar war, ob es die Firma noch lange geben wird (Antwort: Nein), Corona erschien auf der Bildfläche und ich bin mir noch immer sicher, dass meine Frau und ich zu der ersten Welle gehörten, die davon erwischt wurden. Wir waren in einer Teststation und wurden in Quarantäne geschickt. Mein Chef glaubte das nicht und stellte mir nach zwei Wochen die Kündigung aus. Here we go again!

Da waren wir also wieder... Keine Arbeit, das Nebengewerbe lief durch Lockdown noch schleppender und ich hatte wieder meine Probleme, eine neue Arbeit zu suchen / finden. In dieser Phase habe ich viel Zeit auf YouTube verbracht und vermutlich hat sich dort unterbewusst der Wunsch breit gemacht, eigenen Content zu erstellen. Das Punzieren von Leder hat mir mehr und mehr Spaß gemacht, weil ich besser wurde und allmählich hatte ich das Selbstvertrauen, damit an die Öffentlichkeit gehen zu können. Und da kommen wir nun wieder auf den eben angesprochenen Modellierstream zu sprechen, der mir so gut gefallen hat und mich sogar dazu brachte, das Hobby selbst zu beginnen. So etwas wollte ich nun auch machen. Die Leidenschaft für mein Hobby teilen und womöglich andere animieren, es ebenfalls auszuprobieren. Der Schritt zu Streamen, vor die Kamera zu gehen, erschien mir immer noch als wahnsinnig schwer, aber das gehörte einfach dazu.

Die ersten zwei Jahre habe ich auf englisch gestreamt. Das lag daran, dass ich grundsätzlich gerne englisch spreche und einfach dachte, damit mehr Leute erreichen zu können. Meine Waren kann ich immerhin überall hin schicken, also wäre es ja schade, das nicht zu nutzen. Englisch zu streamen war zum Einen eine tolle Erfahrung, zum Anderen hat es mich aber doch hin und wieder sehr verunsichert, was leider mit der Zeit dazu geführt hat, dass der Entschluss, den Stream zu starten, schwieriger und schwieriger wurde. Die Pausen wurden größer und 2022 war es dann plötzlich von Januar bis April ruhig. So konnte es nicht weitergehen und ich musste mir die Frage stellen, ob ich noch streamen möchte und wenn ja, was ich ändern muss, damit es mir wieder Spaß macht. Und das waren im Grunde nur zwei Sachen: Die Sprache, weil ich trotz guter Englischkenntnisse ganz klar sagen muss, dass ich mit der eigenen Sprache als Werkzeug deutlich besser umgehen kann und mich somit wohler fühle und zum Zweiten, dass ich an meinem Umgang mit schwierigen / toxischen Leuten ändern muss, welche dem Stream und somit mir nicht gut tun.

Das Ändern der Sprache hat mich weit zurückgeworfen, beziehungweise hat es dazu geführt, lange auf der Stelle zu treten, was die Zahlen angeht. Weniger Zuschauer, weil mich der Großteil meiner Zuschauerschaft plötzlich nicht mehr verstehen konnte. Natürlich habe ich so auch neue Follower bekommen, die auf dem deutschsprachigem Twitch unterwegs sind, aber in erster Linie habe ich für jeden neuen Follower auch wieder einen alten verloren. Nichtsdestotrotz würde ich diese Entscheidung niemals rückgängig machen wollen. Auf die ein oder andere Weise hat uns das immerhin hierher gebracht.

2023: Im Sommer 2023 ging es dann auch spürbar voran, was Twitch anging. Ich hatte sehr regelmäßige Streamzeiten, eine treue und wachsende Community und alles fühlte sich harmonisch an. Hauptberuflich war ich in Teilzeit in einem Bio-Betrieb angestellt, wo ich meistens nur am Vormittag arbeiten musste und somit an den Nachmittagen mehr Zeit hatte, mich um mein Projekt zu kümmern.

Eines Tages checkte ich meine Mails auf Instagram und wie so oft hatte ich mehrere Mail-Anfragen erhalten von fremden Account, die irgendwie "Promotion" mit mir machen wollten. Eine Nachricht stach allerdings heraus. Zum einen war sie in deutscher Sprache, ich wurde persönlich angesprochen mit "Hallo Scheiby" und der Account hatte nicht 0 Follower, was ebenfalls komisch war. Das war die erste Kontaktaufnahme von STHUGE. Um ehrlich zu sein, hatte ich von STHUGE im Vorfeld noch nichts gehört, aber eine kurze Recherche zeigte mir sehr schnell, dass es sich um eine legitime Firma mit langer Tradition handelt und die auf diversen großen Plattformen ihre Waren verkauft. Und die wollten plötzlich mit mir zusammenarbeiten?! Ich habe ja schon immer viel für möglich gehalten, aber dass ich eines Tages Mode-Influencer werden könnte, das ist dann doch Science-Fiction.

STHUGE, Baby! 💚



2024: Was wäre ein Jahr, in dem es keinen Trouble in der Arbeit geben würde? Ich weiß es auch nicht.